Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat am 16.09.2019 den Entwurf eines „Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht“ veröffentlicht (-> zum Gesetzentwurf). Als Problem meint das BMJV zu erkennen:
Sehr unbefriedigend stellt sich aber noch immer die Situation bei den geltend gemachten Inkassokosten dar, die im Verhältnis zum Aufwand zumeist als deutlich zu hoch anzusehen sind. Zudem gibt es teilweise noch unnötige Kostendoppelungen und werden mangelnde Rechtskenntnisse der Schuldner ausgenutzt.
Zur Lösung dieses „Problems“ wird eine Absenkung der Anwaltsgebühren für die Inkassotätigkeit – konkret für die außergerichtliche Geschäftsgebühr und die Einigungsgebühr beim Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen – vorgeschlagen.
Deutliche Worte zum Gesetzentwurf findet VRiOLG Frank-Michael Goebel (-> IWW-Fachbeitrag) zu diesem Thema:
Soweit die Vergütung für Inkassodienstleistungen verringert wird, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die wirtschaftliche Wirkung für Inkassodienstleister und Rechtsanwälte geringer sein wird, weil die Gläubiger sich künftig an den Rechtsverfolgungskosten umfänglich beteiligen.
Hieraus spricht eine gewisse Naivität des Gesetzgebers. Gläubiger werden die Kosten auf die Verbraucherpreise aufschlagen, soweit dies möglich ist, ihre Produktivität zulasten von Arbeitsplätzen steigern oder die Rechtsdienstleister in ihren Einkommensmöglichkeiten beschränken, was Arbeitsplätze und insbesondere bei kleineren Unternehmen auch Existenzen kosten wird.…
Es erscheint schlicht abwegig, dass einem Schuldner nicht bewusst ist, dass die Abgabe der Forderungseinziehung an einen Rechtsdienstleister weitere Kosten verursacht. Hier werden „Ausreden“ unterstützt, statt Ursachen (Zahlungsmoral) zu bekämpfen.
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Die Auffassung des Gesetzgebers, der Aufwand sei mit einem durchschnittlichen Fall in der anwaltlichen Beratung nicht zu vergleichen, hat nur das Masseninkasso im Blick und vernachlässigt ersichtlich die vielen kleinen Inkassodienstleister in den Regionen, die für kleine und mittlere Unternehmen den Forderungseinzug übernehmen.
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Der Gesetzgeber blendet insoweit aus, dass durch Inkassodienstleistungen eine erhebliche Entlastung der Justiz herbeigeführt wird, weil die Inkassounternehmen schätzungsweise zwischen 5 bis 10 Mio. offene Forderungen im Jahr erledigen, die nicht tituliert und vollstreckt werden müssen und bei denen dem Schuldner die weiteren Kosten erspart bleiben.
Natürlich laufen auch der Deutsche Anwaltverein (-> Stellungnahme des DAV) und die Bundesrechtsanwaltskammer (-> Stellungnahme der BRAK) Sturm gegen den Gesetzentwurf , während dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (-> Stellungnahme) die Maßnahmen gegen „Inkasso-Abzocke“ nicht weit genug gehen.
Natürlich gibt es sowohl unter Rechtsanwälten als auch in der Inkassobranche – wie wahrscheinlich in jeder Branche – schwarze Schafe. Bereits die bestehende Rechtslage bietet jedoch ausreichend Möglichkeiten, redliche Schuldner zu schützen und unerlaubte Inkassopraktiken in ihre Schranken zu weisen.
Überlegt sich das BMJV eigentlich die Folgen seiner Gesetzentwürfe? Wenn Inkassodienstleistungen von Rechtsanwälten oder Inkassodienstleistern nicht mehr wirtschaftlich erbracht werden können, werden viele Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen bleiben – mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen (und damit letztendlich auch Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Existenzen) und Privatpersonen. Im Blick hat der Gesetzentwurf damit ersichtlich nur Großunternehmen, die Forderungsausfälle bereits einplanen und bei ihrer generellen Preisgestaltung berücksichtigen – sprich: wir alle bezahlen mit höheren Preisen dafür, dass einige Schuldner nicht zahlen.
Auf der anderen Seite kann der Gläubiger(Vertreter) versucht sein, jede simple Inkassosache in einen gerichtlichen Rechtsstreit zu treiben, um durch die entstehenden gerichtlichen Kosten den nicht bezahlten Arbeitsaufwand im außergerichtlichen Bereich zu kompensieren. Das wiederum läuft der Intention des Gesetzgebers zur Entlastung der Justiz diametral entgegen.
Über allem steht allerdings ein Grundsatz: zu einem Inkasso kommt es generell nur, wenn der Schuldner den von ihm geschlossenen Vertrag bricht und nicht zahlt. Hierzu § 242 BGB in der schönen Sprache des 19. Jahrhunderts:
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die sittenwidrige – man kann auch sagen unsoziale – Nichtzahlung einer erbrachten Leistung wird damit quasi noch belohnt.