Preise im Schaufenster und mündige Bürger

Das Wettbewerbsrecht „dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“, so sagt es § 1 UWG. Verbraucher sollen vor irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken geschützt werden, die ihre Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit beeinträchtigen und sie dazu veranlassen könnten, geschäftliche Entscheidungen zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten – so das Anliegen der EU.

Der Mandant betreibt in  einem Einkaufszentrum ein Bekleidungsgeschäft. So, wies es heute üblich ist, gibt es kein gestaltetes Schaufenster mehr, sondern man blickt direkt in den Laden. Dort hängen auf diversen Ständern die Bekleidungsstücke, die Kunden können sie nehmen, ansehen, anprobieren und wieder zurückhängen.

Eines Tages marschiert der Mitarbeiter eines (zugelassenen) Wettbewerbsvereins durch das Einkaufszentrum und fotografiert eifrig. Nur kurz danach kommt die Abmahnung: von außen seien die Preise der im Schaufenster zu sehenden Waren nicht klar erkennbar und deutlich mit Preisen ausgezeichnet. Das sei ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 PAngV und somit ein Wettbewerbsverstoß.

Natürlich sind die Bekleidungsstücke korrekt mit einem Preisetikett gekennzeichnet – es ist nur eben manchmal verdeckt und nicht in jedem Falle von außen – also vor dem Schaufenster – sichtbar. Die maßgebliche BGH-Entscheidung dazu stammt aus dem Jahr 1991 – damals gab es aber eine derartige offene Schaufenstergestaltung noch nicht. Das interessiert das vom Wettbewerbsverein angerufene LG Hamburg aber ebenso wenig wie die Tatsache, dass im konkreten Fall die Kunden direkten Zugriff auf die „Schaufensterware“ haben und nicht wirklich gewährleistet werden kann, dass die Kunden die Waren wieder „richtig“ – also mit von außen sichtbarem Etikett – zurück auf den Ständen hängt. Man habe schon immer so entschieden und werde das auch weiterhin tun. Das Gericht rät dringend zum Anerkenntnis – das aus Kostengründen dann auch tatsächlich abgegeben wird (LG Hamburg 312 O 196/14; verwiesen wurde auch auf das eigene unveröffentlichte Urteil LG Hamburg 312 O 93/14).

Der Anwalt steht jetzt vor der undankbaren Aufgabe, seinem Mandanten die Gerichtsentscheidung zu erklären, die er selbst nicht wirklich versteht.

Welches Bild von  Menschen und Verbraucher offenbart sich hier? Der Mensch, der durch eine fehlende von außen sichtbare Preisauszeichnung einer Hose in den Laden „gelockt“ wird und dann – ohne dass er das eigentlich will – diese (korrekt mit einem Preis ausgezeichnete) Hose kauft? Der keine freie Entscheidung treffen kann, sondern anfällig für die geringsten Spuren möglicher Manipulation ist? Der dumme Verbraucher? Ist das derselbe mündige Bürger, der (zumindest theoretisch) Grundlage unserer Demokratie ist?

 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. schmidt123

    vielmehr muß man sich mal wieder fragen, welches Bild das LG Hamburg hier offenbart. Ganz offensichtlich, und ja auch nicht zum ersten mal, demonstriert das LG Hamburg hier wieder mal eine Lebensfremdheit die am Verstand solcher Richter erhebliche Zweifel aufkommen läßt.

    Bei vielen Urteilen aus Hamburg murmelt man ja schon nur noch „naja, LG Hamburg eben“ vor sich hin. So auch hier.
    Dabei habe ich die Bewohner der Stadt eigentlich als mit wachem und hellem Verstand ausgestattet in Erinnerung.

  2. Tourix

    Die Richter hinken der Entwicklung wieder hinterher.
    Pech für diejenigen, die es als erstes trifft.

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