Märchenhaft

Es war einmal … im Dezember 2010, dass eine Hautärztin für die Entfernung einer Warze und eine Behandlung der Augenbrauen mit Botulinumtoxin (beides keine Kassenleistungen) einem Patienten insgesamt rund 430 Euro in Rechnung stellte, die nicht bezahlt wurden.

Nach vergeblicher Mahnung durch die Ärztin und den Anwalt wurde Vollstreckungsbescheid gegen den Patienten erwirkt und daraus die Vollstreckung betrieben.

Die Vermögensauskunft (eidesstattliche Versicherung, Offenbarungseid) von 2010, 2015 und 2017 offenbaren: der Patient ist gut ausgebildet, ledig, aber „ohne Tätigkeit“, er bezieht ALG II.

Allerdings offenbart sein Facebook-Profil, dass er Amateur-Radrennfahrer ist, Angaben zum Fahrrad fehlen aber in der Vermögensauskunft. Ein paar Klicks weiter erfährt man im Internet, dass das auf zahlreichen Fotos abgebildete Fahrrad rund 8.000 Euro wert ist – eine Menge Geld für einen ALGII-Empfänger.

Also wird einerseits die Staatsanwaltschaft informiert (wegen falscher eidesstattlicher Versicherung), andererseits der Gerichtsvollzieher zur Pfändung des Fahrrades losgeschickt. Ausnahmsweise ist hier aber die Polizei schneller und beschlagnahmt im Herbst 2017 kurzerhand das Fahrrad beim Schuldner. Ein reichliches Jahr später scheint das Strafverfahren in 2. Instanz abgeschlossen zu sein, ein Beschluss des Gerichtes vom Januar 2019 verfügt, dass das beschlagnahmte Fahrrad von der Polizei an den Schuldner wieder herauszugeben sei, dass ich aber vorab von Zeit und Ort der Übergabe informiert werden soll (danke an die mitdenkenden Strafrichter und Staatsanwälte).

So geht denn zum vereinbarten Termin der Gerichtsvollzieher zur Polizei und nimmt das Fahrrad mit, der Schuldner, der wenig später kommt, geht leer aus.

Nun, so kurz vor dem Ziel um sein geliebtes Rad gebracht, wird der Schuldner aktiv, ruft bei mir an, um einen Vergleich oder Nachlass herauszuhandeln (warum sollte ich?) und erläutert umfangreich, warum das Fahrrad doch nichts wert sei.

Heute nun, am 31.01.2019, 3.017 Tage nach der Rechnung der Mandantin, meldet mir der Gerichtsvollzieher, dass der Schuldner bei ihm war und vollständig bezahlt habe, um sein Fahrrad auszulösen. Aus den ursprünglichen 430 Euro sind mittlerweile 1.330 Euro geworden.

… und wenn er nicht gestorben ist, so fährt er weiter Amateur-Radrennen und betrügt Leute.

 

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