Hilferuf des Gerichts

Im März 2012 wird ein Gerichtsvollzieher des AG Hainichen (jetzt zum AG Döbeln gehörend) mit der Zwangsvollstreckung einer Forderung beauftragt. Nachdem es zunächst schwierig war (bis zum Haftbefehl), gelingt es dem Gerichtsvollzieher im Juni 2012, eine Ratenzahlung mit dem Schuldner zu vereinbaren, die dieser auch leidlich regelmäßig einhält.

Anfang September trudelt hier ein Schreiben des Gerichtsvollziehers ein:

aufgrund von Krankheit ist bis auf weiteres keine Ratenzahlung möglich. Zur Vermeidung von Sachstandsanfragen übersende ich die Unterlagen zurück.

Telefonisch teilt mir das Amtsgericht mit, wer der Vertreter des erkrankten Gerichtsvollziehers ist, an den wende ich mich mit der vorsichtigen Frage, wie es jetzt wohl weitergehen soll. Er antwortet:

… zu meinem Bedauern muss ich mitteilen, dass ich als Vertreter … lediglich für die Bearbeitung von Eilaufträgen zuständig bin.

Okay, das mit dem Bedauern nehme ich ihm nicht ab, trotzdem muss ich wissen, wie es jetzt mit meiner Vollstreckung weitergehen soll und wende mich an den zuständigen Amtsgerichtsdirektor als Dienstvorgesetzten aller Gerichtsvollzieher. Der antwortet – gleich einem Hilfeschrei:

Allerdings ist die personelle Situation bei den Gerichtsvollziehern insgesamt so angespannt, dass mit einer gewohnt schnellen Bearbeitung nicht mehr gerechnet werden kann. Auch die bereits bestehende Vertretung ist nicht mehr in der Lage, alle Aufträge zügig abzuarbeiten.

Das Gericht hatte bereits durch mehrfache Änderung der Geschäftsverteilung versucht, eine Entspannung der Situation herbeizuführen. Das war mit den hier zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aber nur bedingt zu realisieren.

Sicher ist diese lange Bearbeitungszeit kaum zumutbar, aber auf die eigentlich notwendigen Maßnahmen, nämlich eine weitere Erhöhung des Personals oder eine Entlastung der Gerichtsvollzieher von gesetzlich auferlegten Pflichten hat das Amtsgericht keinen Einfluss.

Wie soll ich das dem Mandanten erklären, zumal der dann (durchaus berechtigt) auf den Justizgewährungsanspruch und das Grundgesetz verweist?

 

 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Thomas Hochstein

    Nun, dem Mandanten kann man das wie immer nur so erklären, dass der Haushaltsgesetzgeber seit langem und geradezu regelhaft die notwendigen Mittel zur Erfüllung der justiziellen Aufgaben – höflich gesagt – nicht immer im ausreichenden oder gar wünschenswerten Maße bereitstellt. Darauf kann der Mandant bei der nächsten Wahl Einfluss nehmen; theoretisch jedenfalls. Den zum einen findet man explizite Aussagen zur Umschichtung von Mitteln – angesichts endlicher Ressourcen ist jedes „mehr“ im Prinzip eine Umschichtung – in den Justizhaushalt kaum in Wahlkampfprogrammen, abgesehen vielleicht von Parteien, die „law and order“ oft zweifelhafter Ausrichtung predigen und die man daher aus anderen Gründen kaum wählen kann. Zum anderen ist die Justiz mit Grund ein Stiefkind des Haushaltsgesetzgebers: es fehlt an der Lobby. Bildung, Soziales, Kultur, Umweltschutz … aber wer hat schon einmal, insbesondere, wenn nicht selbst betroffen, für mehr Geld ausgerechnet für die Justiz demonstriert?!

    Damit muss man dann aber nun auch leben. Als Bürger, als Wähler und auch als Mandant.

    1. admin

      Das ist alles prinzipiell richtig und leider wahr.
      Wenn der Staat allerdings der Justiz die notwendigen Mittel verwehrt (bzw. diese – wie ich leider oft bewundern kann – an völlig unsinniger Stelle ausgibt), muss er sich eingestehen, selbst gegen seine eigene Verfassung und Grundlagen (Stichwort: Justizgewährungsanspruch) zu verstoßen und muss es in Kauf nehmen, dass sich eine „Paralleljustiz“ bildet, die wiederum das Machtmonopol des Staates untergräbt. Beides können wir nicht wirklich wollen.

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