Langjähriger Mandant, inzwischen 70 Jahre alt, verursacht beim Ausparken aus seinem Grundstück mit seinem Auto kleinen Lackkratzer an einem anderen Auto und fährt – weil er es infolge einer altersbedingten leichten Hörschwäche nicht bemerkt hat – davon. Die geschädigte Nachbarin wird von einem Zeugen informiert, kennt den Mandanten, der auch umgehend die Regulierung über seine Versicherung veranlasst.
„Beschädigtes“ Auto ist 31 Jahre alt, aber noch recht gut in Schuss. Mindestens ein kleiner Vorschaden ist vorhanden, Restwert des beschädigten Autos wird mit 4.800 Euro angegeben, der Gutachter gibt die Reparaturkosten mit reichlich 2.000 Euro an.
Schon das ist – obwohl anhand der Software des Gutachters korrekt und nachvollziehbar berechnet – kaum wirklich zu verstehen. Ein Lackkratzer an einem 31 Jahre alten Auto soll 2.000 Euro kosten.
Wegen Fahrerflucht (§ 142 StGB) setzt sich jetzt allerdings die Maschinerie der staatlichen Gewalt in Bewegung. Die Polizei ermittelt, macht Fotos der Örtlichkeit und der beteiligten Autos, befragt drei Zeugen. Heraus kommt ein Strafbefehl: der Mandant soll 3.000 Euro (30 Tagessätze á 100 Euro) zahlen und seinen Führerschein für mindestens 6 Monate abgeben. Das geht sogar dem Gericht zu weit, das eine Einstellung des Verfahrens anregt und auf die Notwendigkeit von Nachermittlungen hinweist. Die Staatsanwaltschaft mag nicht einstellen, Nachermittlungen der Polizei werden durchgeführt, es kommt zum Gerichtstermin mit Richter, Protokollantin, Staatsanwalt, Verteidiger und 3 Zeugen.
Am Ende der Verhandlung steht eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Organisation.
Was für ein Aufwand für einen Lackkratzer an einem 31 Jahre alten Auto. Willkommen im Autoland Deutschland! Fetisch Auto.
Dieser Beitrag hat einen Kommentar
Da hat der Mandant sogar noch Glück gehabt. Das Schlagwort „Fahrerflucht“ kann erhebliche finanzielle Folgen haben, auch wenn der eigenliche Schaden minimal ist.
So meinem (damals 80jährigen) Vater passiert. Kleiner Schaden beim Ausparken an der Stoßstange (die gab es wirklich) von Nachbars Wagen. Dies nicht bemerkt, anschließend Einladung zur Polizei und der ganze Ablauf, wie im Artikel beschrieben. Die Folgen? Bei Fahrerflucht zahlt die Versicherung nicht. Neben der finanziellen Bestrafung durch das Gericht (ohne Verhandlung) mussten die Reparaturkosten an der „begutachteten“ Stoßstange selbst getragen werden und eine Versicherungsrückstufung gab es auch noch.