Die Parteien sind Gerüstbauunternehmen, die in der Vergangenheit regelmäßig zusammen gearbeitet haben. Sie vereinbaren schriftlich die Gestellung eines umfangreichen Gerüstes für mehrere Monate. Wenn diese „Grundstand“ überschritten ist, sollen pro weitere Woche Gerüststandzeit 2,5% des vereinbarten Preises für die „weitere Vorhaltung“ anfallen – so sieht es der gedruckte Vertrag vor. Der Auftraggeber streicht jedoch den Passus „des vereinbarten Preises“ und schreibt „Aufbauwert“ dahin. Er ist der Meinung, in der Vergangenheit habe es oft die Praxis gegeben, dass bei Aufbau des Gerüstes 60% des vereinbarten Preises gezahlt wurden, bei Abbau dann der Rest. Entsprechend versteht er „Aufbauwert“ als 60% des Vertragspreises.
Der Auftragnehmer versteht das aber völlig anders. Er geht davon aus, dass mit „Aufbauwert“ der Umfang des Gerüstes gemeint ist, wie es dann (ggf. in Abweichung vom ursprünglichen Auftrag) tatsächlich aufgebaut wurde.
Beide Seiten diskutieren diese unterschiedliche Auslegung aber nicht, das Gerüst wird einfach aufgebaut.
Es kommt, wie es kommen muss: das Gerüst muss erheblich länger stehen als geplant und die „weitere Vorhaltung“ fällt an. Dabei entsteht zwischen Berechnung des Auftraggebers und der Berechnung des Auftragnehmers eine Differenz von rund 14.000 Euro. Die wird eingeklagt.
Es ist relativ selten, dass sich ein Gericht mit einem so genannten verdeckten Dissens (§ 155 BGB) auseinander setzen muss. Im vorliegenden Fall hat das LG Köln heute einen (rechnerisch nachvollziehbaren) Vergleich in Höhe von 3.600 Euro vermittelt und dabei die Klägerin massiv darauf hingewiesen, dass die ganze Klage auch verloren werden könnte.
Ein kleines, nicht weiter problematisiertes Wort in einem Vertrag hatte also heute einen Verlust von rund 10.00 Euro zur Folge.
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„in der Vergangenheit habe es oft die Praxis gegeben, dass bei Aufbau des Gerüstes 60% des vereinbarten Preises gezahlt wurden“
Das zeigt doch aber dass es offensichtlich nicht immer so war und auch somit der Auftragnehmer nicht davon ausgehen musste dass sich der Auftraggeber auf diese Praxis festlegt. Und überhaupt, wer definiert „Aufbauwert?“
In der gängigen Praxis ist es jedenfalls so, dass es eine Grundstandzeit gibt für welche ein qm Preis festgelegt ist. Die darüber hinausgehende Standzeit wird dann prozentual von diesem Grundpreis berechnet.
Ich denke mal dass das Gericht noch niemals ein Gerüst hat aufbauen lassen, sonst würden die nicht solche Urteile verfassen.
Die geschätzt junge Einzelrichterin (geschätzt: Anfang 30) hat mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie ein Gerüst aufgebaut oder aufbauen lassen. Die Crux an der vorliegenden Sache war, dass es keine Einigung der Parteien gab, auf welcher Grundlage die weitere Vorhaltung abgerechnet werden soll – obwohl beide dachten, es gäbe eine solche Einigung.
Die einen dachten: „2,5 % vom Aufbauwert (= 60% des vereinbarten pauschalen Gerüstpreises) pro Woche“
die anderen dachten: „2,5 % vom Aufbauwert (= Wert des Gerüsts, so wie es letztendlich aufgebaut ist) pro Woche“
Das nennt man einen verdeckten Dissens: beide Parteien meinen, sich geeinigt zu haben, liegen aber in Wirklichkeit völlig auseinander. Diesen Dissens füllt das Gericht danach aus, was zwischen den Parteien üblich war. Erst wenn sich das nicht feststellen lässt, greift man auf das Orts- und Branchenübliche zurück – das im Zweifel ein Sachverständiger feststellen muss.