In meiner Kanzlei häufen sich die Anfragen von Mandanten, unter welchen Bedingungen sie die Buchung ihrer Urlaubsreise für diesen Sommer aufgrund der Corona-Pandemie stornieren können. Deswegen dazu ein paar grundsätzliche Erläuterungen.
Zunächst muss man unterscheiden zwischen einer Pauschalreise und einer Individualreise.
Einfach gesagt liegt eine Pauschalreise immer dann vor, wenn durch einen Reiseveranstalter mehrere Reiseleistungen (also beispielsweise Flug und Hotel) gebündelt verkauft wurden. Da in allen EU-Staaten die EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde, ist es dabei nicht entscheidend, ob man solche eine Pauschalreise bei einem deutschen oder einem anderen (EU-) europäischen Veranstalter gebucht hat.
Bei derartigen Pauschalreisen regelt in Deutschland § 651 h Abs. 3 BGB, dass der Reisende vor Reiseantritte kostenfrei stornieren kann, wenn
am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen
Eine Epidemie oder gar Pandemie am Reiseort, wie dies bei Corona der Fall ist, ist dabei grundsätzlich als solcher außergewöhnlicher Umstand anerkannt. Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn
im Zeitpunkt des Rücktritts bei objektiver Betrachtung eine sichere Durchführung der Pauschalreise unmöglich ist, der Reisezweck also insgesamt infrage steht.
Der BGH meinte, eine nur 25 %ige Wahrscheinlichkeit für solche Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt der Stornierung reiche dafür aus. Die bis 14.06.2020 geltende weltweite Reisewarnung war dafür dafür hinreichendes Indiz.
Natürlich versuchen derzeit nicht nur die auf die Tourismuseinnahmen angewiesenen Urlaubsländer, sondern auch die Reiseveranstalter, alle Reisen, die sich irgendwie durchführen lassen, auch tatsächlich durchzuführen, um nicht den kompletten Reisepreis zurückerstatten zu müssen. Somit stellt sich für den stornierungswilligen Reisenden die Frage, ob die zu erwartenden Urlaubseinschränkungen (begrenzter Strandzugang, Einschränkungen im Hotel) so erheblich sind, dass sie eine Stornierung vor Reiseantritt erlauben. Letztendlich wird diese Frage durch Gerichte entschieden werden müssen, es werden wohl im Laufe des nächsten Jahres eine größere Anzahl von Gerichtsentscheidungen hierzu zu erwarten sein.
Entscheidet sich der Reisende, doch nicht vor Reisebeginn zu stornieren, sondern die Reise anzutreten, verlagert sich der auch dann beinah unvermeidliche Streit in den Bereich des Reisemangels (§ 651i ff. BGB): denn durch die örtlichen Einschränkungen des Urlaubs dürfte auch eine erhebliche Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des Urlaubs vorliegen. Allerdings beschränkt sich die Reisemängelhaftung grundsätzlich auf den eigenen Organisationsbereich des Reiseunternehmens. So sind beispielsweise Einschränkungen der Verpflegung im Hotel deutliche Reisemängel, geschlossene Gaststätten oder Strände aber in der Regel nicht. Auch dazu werden im Laufe des nächsten Jahres wohl zahlreiche Gerichte zu entscheiden haben. Wichtig ist hier, die (dokumentierte) Mangelrüge am Urlaubsort nicht zu vergessen.
Etwas schlechter als der Pauschalreisende ist der individuelle Reisende gestellt, der verschiedene Reiseleistungen einzeln gebucht hat. Wenn er z.B. im Internet bei einem ausländischen Anbieter ein Ferienhaus gemietet hat, wird er wahrscheinlich auf das Recht des Reiselandes verwiesen. Wer bei einem deutschen oder in Deutschland tätigen Unternehmen eine Reiseleistung gebucht hat (z.B. den Flug oder ein Ferienhaus), wird auf den jeweiligen Vertragstyp (also Transportvertrag oder Mietvertrag) verwiesen. Auch dort besteht bei einer von keiner Seite zu verantwortenden erheblichen Abweichung der gebuchten von der tatsächlich erbrachten Leistung (so genannte Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB) ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages. Ob über diese allgemeine Vorschrift aber eine komplette Auflösung des Vertrages möglich ist oder nur eine Preisreduzierung, liegt letztendlich an dem Maß der tatsächlichen Einschränkung – und am Richter, der das irgendwann einmal zu entscheiden hat.
Alles in allem sieht die Situation daher für stornierungswillige, aber auch für reisewillige Urlauber derzeit unklar und nicht unbedingt rechtssicher aus.
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